Die Meistermann-Fenster in der Ludgeruskapelle
>Georg Meistermann, Köln (Entwurf), H.-B. Gossel, Lahntal/Caldern (Ausführung), 1986–1989, mundgeblasenes Opal- und Opak-Überfangglas, mit eingebrannter Überzug- und Konturfarbe behandelt
Position im Dom
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Die Meistermann-Fenster in der Ludgeruskapelle
>Georg Meistermann, Köln (Entwurf), H.-B. Gossel, Lahntal/Caldern (Ausführung), 1986–1989, mundgeblasenes Opal- und Opak-Überfangglas, mit eingebrannter Überzug- und Konturfarbe behandelt
Position im Dom
Galenschen Kapellen des Domes von außen
© Ludger Hiepel und VG Bild-Kunst, Bonn 2021
Die Ludgeruskapelle ist im südöstlichen Teil des Chorumgangs zu finden. Sie ist vor allem bekannt für das Grabmal des Seligen Kardinals Clemens August Graf von Galen. Die Fenster in dieser Kapelle sind wohl die schlichtesten des Meistermannschen Gesamtwerkes. In grauen und blassen Tönen gehalten und ohne viele Farben sind die drei Fenster sehr minimalistisch. Und dennoch – oder gerade deshalb – lohnt sich ein Blick ins Detail.
In den schlichten Fenstern der Ludgeruskapelle finden fünf Verse des Lobpreises Einzug:
Beim Besuch des St.-Paulus-Doms fallen beim Gang durch den Chor die modern gestalteten Fenster auf. Die vier Chorumgangskapellen sowie ein angrenzendes Fenster an der Nord- und eines an der Südseite gegenüber der astronomischen Uhr sind geschmückt mit insgesamt 17 Fenstern, die Georg Meistermann von 1985 bis zu seinem Tod 1990 skizzierte. Den Fensterbildern liegt das Buch Daniel zugrunde. In den vier Kapellen ist der Lobgesang der drei jungen Männer im Feuerofen (vgl. Dan 3,51–90) dargestellt. Er lässt sich folgendermaßen untergliedern: In der Ludgeruskapelle wird der zweite Satz „Lobpreis durch den Gang der Geschichte hindurch“ thematisiert. Als erster Satz gilt der „Lobpreis aus dem Feuer“, als dritter Satz der „Lobpreis durch Tag und Nacht hindurch“ sowie der „Lobpreis mit der ganzen Schöpfung“ als vierter Satz.
„Gepriesen bist du im Tempel deiner heiligen Herrlich­keit, hoch gerühmt und verherrlicht in Ewigkeit.“
(Dan 3,53)
Gotteshäuser sind die Orte des Lobpreises Gottes. [Detail 1] Im linken Fenster ist auf dunklem Hintergrund ein Gebäude zu erkennen, das ein Gotteshaus darstellt. Offen bleibt, ob es sich dabei um einen Tempel, eine Synagoge oder eine Kirche handelt. Vielleicht lässt Meistermann uns hier bewusst fragend zurück. Vielleicht möchte er auch, dass Synagoge und Kirche zugleich gedacht werden. Hier wird sichtbar, dass dem Judentum und dem Christentum die gleichen Schriften zugrunde liegen.
„Preist den HERRN, ihr Sterne am Himmel; lobt und rühmt ihn in Ewigkeit!“
(Dan 3,63)
„Preist den HERRN, ihr Israeliten; lobt und rühmt ihn in Ewigkeit!“
(Dan 3,83)
Offen bleibt die Frage, ob Meistermann bewusst auf den Davidsstern verzichtet oder ob dieser mit dem Pentagramm angedeutet werden soll. Damit lässt sich auch hier wieder eine Verbindung ziehen vom Judentum – symbolisiert mit dem Davidsstern – zum Christentum mit Jesus als Stern.
„Preist den HERRN, ihr seine Priester; lobt und rühmt ihn in Ewigkeit!“
(Dan 3,84)
[Detail 3] Das farbenfrohste Fenster in der Ludgeruskapelle zeigt auf der rechten Seite einen Bischof. Da nur die Umrisse zu erkennen sind, muss man hier schon sehr genau hinsehen, wobei eine zum Beten ausgestreckte Hand sowie eine Mitra (die Kopfbedeckung eines Bischofs) auf dem Kopf zu finden sind. Der Bischof steht auf der Erde und somit stellvertretend für alle Priester oder sogar für alle Menschen. Die Erde – ebenfalls farblos gehalten – steht genau im Mittelpunkt der unteren Fensterhälfte.
Von ihr aus zieht sich ein breiter bunter Strahl am Bischof vorbei hoch zum Gottesnamen JHWH. Dieser Strahl stellt also die Verbindung Gottes zur Erde und zu uns Menschen dar. Symbolisch kann er also von unten nach oben betrachtet den Lobpreis (durch die Geschichte hindurch) darstellen. Von oben nach unten steht er für die Güte des Herrn.
[Detail 4] Der Gottesname JHWH ist rechts oben auf orangenem Grund dargestellt und bricht somit leuchtend aus den Fenstern hervor. Hier wird direkt der Gedanke an den brennenden Dornbusch geweckt mit der Verheißung Gottes: „Ich bin da.“
[Detail 5] Sehr schwer zu erkennen ist die Darstellung schräg unter dem Gottesnamen. Hier gehen die Interpretationen etwas auseinander. Zeigt diese Kachel die Herrlichkeit Gottes – hier dargestellt in bunten Farben und verschiedenen Formen? Oder sitzt hier ein (junger) Mann lernend und lesend neben der Tora?
„Preist den HERRN, ihr Engel des HERRN; lobt und rühmt ihn in Ewigkeit!“
(Dan 3,59)
Durch die Geschichte hindurch
„Durch den Gang der Geschichte hindurch“ beinhaltet auch die dunkelsten Kapitel der Geschichte. Die traurigste Verbindung, die sich hier zum Judentum und zum jüdischen Leben in Deutschland ziehen lässt, ist die Shoa. Durch die Geschichte hindurch beten wir Gott an – in den dunklen Zeiten wie in helleren Zeiten. So erscheint die schlichte Farbgebung der Fenster in der Ludgeruskapelle sehr angemessen.
„Durch die Geschichte hindurch“ ist Thema in der gesamten Kapelle. Hier liegt der „Löwe von Deutschland“ – besser bekannt als „Löwe von Münster“ – Kardinal Clemens August Graf von Galen begraben. In drei Predigten im Jahr 1941 lehnte er sich gegen das nationalsozialistische Unrechtsregime auf und verurteilte dessen Vorgehen gegen die Kirche und ihre Einrichtungen scharf. Sein Verhältnis zum Judentum war hingegen geprägt von christlichem Antijudaismus. Zum nationalsozialistischen Antisemitismus und zur Shoa äußerte sich von Galen nicht.
Niklas Hesselmann
23 Jahre
Seit drei Jahren studiere ich katholische Theologie in Münster und interessiere mich neben spannenden kirchenpolitischen und theologischen Themen besonders auch für die Shoa. Der Fokus auf die Kunstwerke des Doms hat dazu beigetragen, dass ich mich intensiver mit dem christlich-jüdischen Verhältnis auseinandersetze und sich mir so eine neue Sichtweise darauf eröffnet. Vielleicht teilen Sie diese Erfahrung ja.
Literaturhinweise
Klockenbusch, Ludwig: Die Fenster von Georg Meistermann im Kapellenkranz des St. Paulus-Domes zu Münster. Berlin 1985.
Rülander, Ulrike: Achtzehn Fenster des Kapellenkranzes. In: Epking, Simone/Hellbrügge, Christoph/Lobbedey, Uwe/Moser, Juliane/Püttmann-Engel, Kristin/Rülander, Ulrike/Schäfer, Ulrich/Schmitt, Peter: Der Dom zu Münster 793–1945–1993. Die Ausstattung (Denkmalpflege und Forschung in Westfalen Bd. 26, 2), Mainz 2004, 106–113.
Thissen, Werner: Einsichten in Unsichtbares. Die Fenster Georg Meistermanns im Dom zu Münster, Münster ²1998.